Sterbehilfe/ Assistierter Suizid

Ringen um aktuelle Positionierung zum assistierten Suizid in Kirche und Diakonie

Durch einen Gastbeitrag in der "Frankfurter Allgmeinen Zeitung" (11.01.2021) von prominenten Vertreterinnen und Vertretern aus Theologie, Kirche und Diakonie wurde aktuell innerhalb der evangelischen Kirche eine neue Debatte um den assistierten Suizid ausgelöst. In dem Artikel plädierten die Autorinnen und Autoren u.a. dafür, auch in kirchlichen Einrichtungen einen professionell begleiteten assistierten Suizid zu ermöglichen. Sie betonten dabei, dass aus evangelischer Sicht die Wahrung von Selbstbestimmung wichtig sei, es genau für diese Sicherstellung und zum Schutz des Einzelnen aber professionelle Rahmenbedingungen bräuchte, die u.U. in kirchlich-diakonischen Einrichtungen implementiert werden könnten. Gleichwohl warnen die Autorinnen und Autoren des Artikels davor, dass der assistierte Suizid zu einem „Normalfall“ werden könnte. Dies sei auf jeden Fall zu vermeiden.

Der Ratsvorsitzende der EKD bekräftigte hingegen die bisherige Position der EKD, die jede organisierte Hilfe zum Suizid ablehnt, die dazu beiträgt, dass die Selbsttötung zur Option neben anderen wird. Gleichzeitig räumte er ein, es gehe um komplizierte Situationen, so dass man es sich nicht einfach machen könne. In der evangelischen Kirche würde daher derzeit um eine mögliche Neupositionierung zur dieser Form der Sterbehilfe gerungen. Notwendig sei auf jeden Fall weiterhin der gesellschaftliche Diskurs über Leid und Tod. Dazu könnten auch evangelische Stimmen beitragen, „die von der klaren Position des Rates der EKD abweichen", so Bedford-Strohm.

Bereits im Vorfeld hatte die Diakonie einen Diskussionsprozess zu diesem Thema angesichts der neuen Situation nach der Abschaffung von §217 (Verbot der geschäftsmäßigen Förderung von Suizid) durch das Bundesverfassungsgericht initiiert. Im Zentrum steht das Diskussionspapier "Selbstbestimmung und Lebensschutz: Ambivalenzen im Umgang mit assistiertem Suizid", das zurzeit in Diakonie und Kirche mit vielen Beteiligten gemeinsam rege reflektiert wird. Es geht dabei sowohl um grundlegende theologische, ethische und seelsorgerliche Fragen wie auch um einen praktischen Umgang mit der neuen rechtlichen Situation in kirchlichen und diakonischen Einrichtungen.

Der Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) hat sich in seiner Sitzung am 30. Januar 2021 in einer rund dreistündigen Videokonferenz mit einigen der Autoren des FAZ-Artikels ausgetauscht und sowohl theologisch-ethische als auch rechtliche und praktische Fragen erörtert. Eine Zusammenfassung des Gesprächs finden Sie hier

Hier finden Sie zum einen das Diskussionspapier "Selbstbestimmung und Lebensschutz: Ambivalenzen im Umgang mit assistiertem Suizid" der Diakonie Deutschland sowie einen Link zum Diakonie-Infoportal, auf dem einzelne Beiträge der Debatte zusammengestellt sind.

Kirchen begrüßen den Gesetzesbeschluss zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung von Selbsttötung - November 2015

Am 6. November 2015 hat der Deutsche Bundestag über die Frage entschieden, ob die Suizidbeihilfe in Deutschland neue Regeln braucht (Bundestags-Drucksache 18/5373). Bislang war und ist die Beihilfe zum Suizid nicht verboten. Es standen insgesamt vier Gesetzentwürfe zur Neuregelung der Suizidbeihilfe (mit je unterschiedlichem Titel) von fraktionsübergreifenden Gruppen zur Diskussion. Die Bandbreite reichte von einem strafbewehrten Totalverbot der Anstiftung und Beihilfe zum Suizid für Ärzte, Sterbehilfevereine und auch Angehörige sowie bis hin zu einer positivrechtlichen Liberalisierung der Hilfe zur Selbsttötung. Außerdem gab es noch einen Antrag zur Nichtregelung der Suizidbeihilfe. Nach einem komplizierten Abstimmungsverfahren wurde der "Gesetzentwurf zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung“ der Abgeordneten Brand/Griese u. a. verabschiedet. Damit entfiel eine Abstimmung über den Antrag „Keine neuen Straftatbestände bei Sterbehilfe“. Das Gesetz will die organisierte Suizidbeihilfe durch Vereine oder regelmäßig tätige Einzelpersonen unter Strafe stellen. Suizidbeihilfe bleibt also straffrei, so lange sie nicht mit Wiederholungsabsicht oder geschäftsmäßig ausgeübt wird. In den Kirchen gibt es viel Zustimmung zu der Entscheidung des Bundestages. Das Gesetz sei eine "Entscheidung für das Leben und für ein Sterben in Würde", so u.a. der Vorsitzende der DBK, Kardinal Marx, und der Ratsvorsitzende der EKD, Bedford-Strohm.

"Eine Entscheidung für das Leben und für ein Sterben in Würde" - so lautet der Titel einer gemeinsamen Erklärung der evangelischen und katholischen Kirche zum beschlossenen Gesetz zur Strafbarkeit der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung. Das neue Gesetz schütze schwerkranke und ältere Menschen vor einem zunehmenden sozialen Druck, vorzeitig aus dem Leben zu scheiden. Auch Ärzte und Pflegekräfte würden vor der Erwartungshaltung geschützt, im Rahmen der gesundheitlichen Versorgung Suizidassistenz zu leisten. Auch andere kirchliche Stimmen begrüßen das neue Gesetz.